Straßenbegleitgrün mal anders

Ach ja, das Straßenbegleitgrün. Ohne es geht es nicht – meiner Meinung nach. Das Grün haucht dem Einheitsgrau der Straßen, Fahrrad- und Fußwege Leben ein, erfreut unsere Augen und ist nicht zuletzt Lebensraum für zahlreiche Tiere.

Der Stadtverwaltung passt es nicht, das Straßenbegleitgrün. Zu teuer in der Pflege, außerdem zerstören Wurzeln manchmal die Unterbauten von Wegen. Dass Menschen die Bäume, Rabatten und Sträucher aber auch für die Seele brauchen, spielt oft gar keine Rolle mehr.

Einige Initiativen von umdenkenden Menschen gibt es zwar schon – etwa, wenn alte Saatmischungen ausgebracht oder anspruchslose Kräuter ausgepflanzt werden oder man die Biomasseerträge des Straßenbegleitgrüns zur Energiegewinnung nutzt – doch generell ist die öffentliche Hand eher an der Reduktion des Straßenbegleitgrüns interessiert.

Bei unserem Italienbesuch Anfang Mai dieses Jahres begegnete uns in Trient dagegen sogar grüne Kunst im öffentlichen Raum!

Beim fünf Tage währenden Festival „Fiori, Vie, Palazzi“ gestalten die Floristen der Stadt (wenn ich es richtig gedeutet habe) bestimmte Flächen im öffentlichen Raum, u. a. mit Küchenkräutern.
Temporäre Blumenbeete werden angelegt, Werkstätten für Kinder veranstaltet, Lesungen initiiert etc. Stellt Euch doch mal diese Straße ohne Pflanzen vor – wie eine steinerne Flucht würde das aussehen oder wie sich duellierende Häuserfronten kurz beim Aufeinandertreffen!

 

Ich war geneigt, mich zu verneigen – vor den Pflanzen, den Floristen und dem Trentiner Kulturamt, dass solche Verrücktheiten mitmacht.

 

Im Rathaushof standen Kübelpflanzen und es flatterten bunte Bänder im Winde – herrlich!

 

Das war wohl der Zugang zum Standesamt, geschmückt mit einer äußerst kreativen Installation.

 

Die Bänke waren gern aufgesuchte Rastplätze für ermattete Touristen…

 

 

Trient ist so oder so eine sehr hübsche Stadt und wegen der Studenten auch wunderbar lebendig. Für dieses kleine Fest des Straßenbegleitgrüns bekommt die Stadt von mir einen extra Bonuspunkt 😉

Antworten aus Wien

Vor kurzem postete ich hier über die grüne Fassade des MA 48, des Hauses für Abfallwirtschaft in Wien. „Fassade mit Fragen“ hieß es damals Ende Januar in der Überschrift und selbige, nämlich die Fragen, stellten sich mir nach der Internetrecherche zu diesem Thema reichlich. Irgendwann fasste ich den Mut, an die Universität für Bodenkultur in Wien zu schreiben, die das Fassadenprojekt von Beginn an wissenschaftlich begleitet, um dort Antworten zu finden.

An einem Freitag Mittag schrieb ich einer Mitarbeiterin, die ich durch Googeln herausgefunden habe – sie heißt Vera Enzi -, meine Fragen. Völlig perplex war ich, als ich nur wenige Stunden später eine Zwischenantwort von einer offensichtlich gut gelaunten Frau erhielt, die in keinster Weise missmutig war, weil ich im World Wide Web so über diese grüne Fassade herummoserte. Im Gegenteil – sie bot mir sogar an, mir ihr zu skypen, was ich leider nicht wahrnehmen konnte, da sich unsere Arbeitszeiten so ziemlich gleichen.

Ich versuche mal, aus dem doch intensiven Mailverkehr die wichtigsten Informationen herauszufiltern und sie meinen Fragen zuzuordnen. Los geht’s!

Ist der Wasserverbrauch von 1,8 Kubikmetern pro Tag für die Wasserversorgung der Pflanzen gerechtfertigt?
Das sei der Wasserverbrauch an einem Sommertag während einer Hitzwelle und damit also ein absoluter Höchstwert, so Vera Enzi. Positiv ist, dass die Pflanzen tatsächlich nur soviel Wasser erhalten, wie sie verbrauchen können, das heißt also, ganz unten kommt nichts heraus und Passanten behalten trockene Köpfe 🙂 Man nennt dies „bedarfsorientierte Bewässerung“. Beeindruckend ist natürlich die sogenannte Transpirationsleistung der Gesamtfassade, die etwa der Leistung von 70 Klimakühlgeräten bei einer achtstündigen Betriebsdauer und einer Leistung von 3.000 Watt pro Gerät entspricht.

Warum hat man nicht auf das seit den 1980er Jahren bewährte Konzept zur Fassadenbegrünung des Franzosen Patrick Blanc zurückgegriffen? Die Bepflanzung erscheint bei ihm homogener, der Dämmeffekt dürfte der gleiche sein.
Nachdem ich mir das Pressefoto der MA48 von der Wiener Stadt-Homepage geladen habe, bin ich davon ausgegangen, dass ich dort einen Frühlings- oder Sommerzustand sehe. Das Foto zeigt jedoch die Situation direkt nach der Pflanzung 2010 (spricht m. E. für den Handlungsbedarf der Pressestelle), in dem die Aluminiumbehältnisse immer deutlich zu sehen sind. Laut Vera Enzi – und auch der unten verlinkte Artikel zeigt das – ist die Begrünung später (jahreszeitenabhängig) homogener geworden.

Was Patrick Blanc angeht, hat sich Frau Enzi sehr zurückhaltend geäußert, was ich als Wissenschaftlerin (auf einem anderen Gebiet) verstehen kann. Dieses Aufeinandergehaue mancher Wissenschaftler geht mir ziemlich ab.
Nur soviel: Die Bepflanzung, die Herr Blanc auswählt, würde in unseren klimatischen Breiten wahrscheinlich den Jahreslauf nicht überstehen, sondern ist eher für tropische Breiten gedacht, wo eine hohe Luftfeuchte herrscht und Pflanzen oft sogar ohne Erde wachsen. Blancs System ist nicht frostsicher und verfügt über keine Wasserrückhaltung, ist zudem kostspielig in der Anschaffung. Damit ist schon klar, dass Blancs Konzept vielleicht in Mitteleuropa in Innenräumen umsetzbar ist, aber eben dort schwer im Außenbereich.

Die Pflanzenauswahl an der MA48, so hat mir Vera Enzi erläutert, orientiert sich an einer trockenen Blumenwiese. Selbst aussäende und ausdauernd krautige Pflanzen, robuste Pflanzen mit geringem Pflege- und Düngeaufwand wurden deshalb gewählt.

Wenn die Wiener so lange über die Art der Fassadenrenovierung gegrübelt und diskutiert haben, warum haben sie nicht einen gebäudeeigenen Gaszähler installieren lassen, um die langfristigen Wirkungen auf die Energieverbräuche erfassen zu können?
Dies war offenbar in der wissenschaftlichen Begleitung bisher nicht vorgesehen, steht aber zukünftig durchaus auf der Agenda.
Aus eigener Erfahrung kann ich hier anmerken, dass man Geld investieren muss, um Geld zu sparen. Meine Heimatstadt nimmt seit einigen Jahren am European Energy Award® teil und musste einen straffen Maßnahmenplan erfüllen, um den Preis zu erhalten. 2012 hat es mit dem Goldstatus geklappt, aber das nur am Rande. Als unsere Hausmeister jeden Monat die Energieverbräuche in den städtischen Gebäuden erfassen sollten, fragten sich am Anfang fast alle (auch ich), was das soll und ob das nicht unnötiger Aufwand wäre und überhaupt – wozu das Ganze? Doch genau diese dichte Datenerfassung ermöglicht das Aufdecken von Energie- und Wasserlecks, das Finden von Ansatzpunkten zu Einsparmöglichkeiten und das Sammeln von Argumenten zur Rechtfertigung von energetischen Sanierungen. Weiter ausholen möchte ich hier nicht, das würde zu weit führen. Kurz und gut: Ich plädiere weiterhin für den Gaszähler 🙂

Eine im Mailverkehr vom Gatten eingeworfene Frage nach eventuellen Kältebrücken beantwortete Vera Enzi auch locker vom Hocker, denn da die Aluminiumbehältnisse mit Abstandshaltern montiert sind, entsteht eine „Hinterlüftungsebene“, durch die derartige Probleme vermieden werden. Sehr wichtig sei natürlich die fachgerechte Montage der Befestigungen an der Fassade, was durch ein „aktives Qualitätskontrollmanagement während der Bauphase unterstützt“ wurde.

Meine beiden letzten Fragen zum Thema Aluminium fasse ich mal zusammen.
Die Herstellung von Aluminium ist wegen der damit verbundenen Schädigung der Umwelt sehr umstritten, so entstehen beim Abbau des Erzes Bauxit Rotschlämme, für die Schmelze wird enorme Energie benötigt. Warum hat man in Wien ausgerechnet auf dieses Material zugegriffen? 
Warum hat man Kräuter in die Aluminiumgefäße gepflanzt? Die Giftigkeit des Materials wird international diskutiert. Es besteht also sogar eine latente Gefährdung der Mitarbeiter, wenn diese sich beispielsweise für ihren Mittagspausensalat ein paar Kräuter zupfen würden.
Dau merkte Vera Enzi an, dass 2009, als die Fassade(nverkleidung) angebracht wurde, noch gar nicht über die Schädlichkeit von Aluminium diskutiert wurde. Damit hat sie recht, denn obwohl es von Wissenschaftlern schon vorher Studien zu eventuellen Zusammenhängen zwischen der Alzheimer-Krankheit und dem vorherigen Kontakt zu Aluminium gab, fanden diese erst in den letzten Jahren ihren Weg in die breitere Öffentlichkeit.
Frau Enzi schrieb mir von den Beweggründen der bauausführenden Firma, sich für Aluminium zu entscheiden, die mit der Leichtigkeit des Materials, den vergleichsweise geringen Kosten und der Rostfreiheit nachvollziehbar sind. Für die MA48-Fassade wurde ein Recycling-Materialanteil von 60 Prozent erreicht.
Heute werden für diese Art der Fassadenbegrünung meist Edelstahl-Behältnisse verwendet.

Da es sich bei der Pflanzenauswahl um Wildstauden handele, die eh nicht zum Verspeisen gedacht wären, würde also keine Gefahr der Vergiftung bestehen, zumal das MA48 an einer Hauptverkehrsstraße liegt. Völlig richtig schrieb mir Frau Enzi dazu „Sie würden ja auch keinen Autobahnsalat ernten.“ Wie wahr!
Interessant die Nebeninformation von Frau Enzi: Die Uni für Bodenkultur untersucht, inwieweit sich Schwermetalle und Feinstäube an Pflanzen ablagern und wie Wettererscheinungen diese Ablagerungen beeinflussen können.

Ergänzend zu ihren Ausführungen schickt mir Vera Enzi noch einige Links mit:
– ein ausführlicher Artikel mit ersten Messergebnissen in der Zeitschrift „Wettbewerbe“
Leitfaden zur Fassadenbegrünung
– kurzer Online-Artikel zur berankten Fassade des Physikgebäudes der Humboldt-Universität

Übrigens stieß ich auf der Homepage der Stadt Wien auch darauf, dass die Stadt eine finanzielle Unterstützung zur Begrünung von Innenhöfen gibt. Toll, oder? Wie hoch wohl der Grünflächenanteil im Stadtgebiet ist, wenn solche Förderprogramme aufgelegt werden???

überlegt sich
Eure Füchsin

    Fassade mit Fragen

    In der letzten Ausgabe des Wirtschaftsmagazins „brand eins“stieß ich auf einen Artikel über die seit 2010 begrünte Fassade der Wiener Magistratsabteilung für Abfallwirtschaft, laut „brand eins“ ist die „blühende Behörde“ eine „neue Attraktion“ in Österreichs Hauptstadt.
    Das auch MA48 genannte Gebäude steht inmitten eines dicht besiedelten Stadtteils an einer Straßenkreuzung und verfügt über etwa 850 Quadratmeter Fassade. Als diese vor wenigen Jahren saniert werden musste, entschieden sich die Verantwortlichen nach langen Diskussionen, die Fassade zu begrünen.

    20100912_01.jpg
    Pilotprojekt Grüne Fassade auf der Zentrale der MA 48
    Copyright: Christian Houdek / PID

    Vor der Fassade wurden in etwa fünf Zentimetern Abstand Hunderte mit Pflanzen bestückte Aluminium-Behältnisse angebracht. Die Wasserversorgung erfolgte anfangs manuell, was schließlich auch zum Absterben der Pflanzen im Winter 2011 führte. Die Haustechnik-Kollegen dort hatten nicht bedacht, dass die Pflanzen trotz des Winters mit Wasser versorgt werden müssen. Eine teure Nachpflanzung war nötig.

    Das Projekt wird von den Befürwortern der Behörde und der betreuenden Forschungsabteilung der Universität Wien natürlich sehr gelobt, vor allem wegen der guten Klimatisierung der Fassade. Im Hochsommer, als man am Nebengebäude 40 Grad Celsius maß, punktete die Fassade der MA48 mit 28 Grad Celsius. Im Winter konnte sie etwas von der Kälte abdämpfen. Grund für diese natürliche Dämmung ist das Luftpolster zwischen der Wand und den Pflanzgefäßen. Einen genauen Energiesparwert können die Wiener leider nicht angeben, da das Gebäude nur an die zentrale Gasuhr des Abfallwirtschaftsgeländes angeschlossen ist.

    Im Internet habe ich mich noch ein bißchen über das Projekt belesen, trotzdem bleiben Fragen unbeantwortet:

    • Ist der Wasserverbrauch von 1,8 Kubikmeter pro Tag für die Wasserversorgung der Pflanzen gerechtfertigt?
    • Warum hat man nicht auf das seit den 1980er Jahren bewährte Konzept zur Fassadenbegrünung des Franzosen Patrick Blanc zurückgegriffen? Die Bepflanzung erscheint bei ihm homogener, der Dämmeffekt dürfte der gleiche sein.
    • Wenn die Wiener so lange über die Art der Fassadenrenovierung gegrübelt und diskutiert haben, warum haben sie nicht einen gebäudeeigenen Gaszähler installieren lassen, um die langfristigen Wirkungen auf die Energieverbräuche erfassen zu können?
    • Die Herstellung von Aluminium ist wegen der damit verbundenen Schädigung der Umwelt sehr umstritten, so entstehen beim Abbau des Erzes Bauxit Rotschlämme, für die Schmelze wird enorme Energie benötigt. Warum hat man in Wien ausgerechnet auf dieses Material zugegriffen?
    • Warum hat man Kräuter in die Aluminiumgefäße gepflanzt? Die Giftigkeit des Materials wird international diskutiert. Es besteht also sogar eine latente Gefährdung der Mitarbeiter, wenn diese sich beispielsweise für ihren Mittagspausensalat ein paar Kräuter zupfen würden.

    Sicher hat diese Art der Fassadengestaltung ihre Vorteile, doch in Wien scheint die Variante unausgegoren.